Ein Schuh Grösse 32 kann nicht mit dem Fuss von Monika wachsen, weil er eine fertige Form hat und haben muss. Bilder aber, tief empfunden, wachsen auf dem Grunde der Seele.
Aus dem Märchen vom Meerhäschen können Seelenkräfte aufspriessen. Im späteren Leben kann uns plötzlich die Frage befallen: Gleiche ich der Prinzessin? Wir können darum ringen, diese Gestalt in uns zu erlösen, und: Wir werden uns auch vor ihr verstecken wollen. — Vielleicht werden wir im späteren Leben auf den Fuchs aufmerksam, dem wir zuerst einen Splitter aus der Pfote herausziehen müssen und der uns hernach zur Quelle im Walde führt. Und immer andere Schicksalszusammenhänge werden auf uns zu kommen und uns einengen, aber es können auch immer neue Bilder aus der Seele aufsteigen, die uns die Sicht öffnen.
Wenn das Kind ein Märchen hört, nimmt es etwas Zukünftiges auf. Oft hören wir sagen: Kinder sind die Zukunft. Leicht gesagt! Aber wie gehen wir methodisch so damit um, dass wir sie tatsächlich auch für die Zukunft unterrichten?
Wir erzählen ja das Märchen jetzt, in der Gegenwart. Nun kommt in Betracht, wie das Kind einem Märchen lauscht. Das Kind nimmt das Märchen ja nicht nur mit dem Verstande, sondern vor allem durch sein Miterleben auf: Es ist gespannt, es bangt und hofft, und es freut sich. Würde es das Märchen nur verstehen, wäre es mit der Gegenwart auch bald wieder vergangen.
Das Wunderbare, das in jedem echten Märchen vorkommt, dämpft das helle Tagesbewusstsein etwas ab und taucht das Kind dafür um so mehr in das Gefühl ein. Und in diesem Hineinträumen in die Bilder kann sich der Inhalt des Märchens wie ein Same in die Seele des Kindes versenken, um in der Zukunft wieder hervorzuspriessen, die Sicht für manches Schicksalsrätsel im Leben erhellend.